Keine Konkurrenten, Freunde Keine Konkurrenten, Freunde Keine Konkurrenten, Freunde
Manuel Feller im Gespräch 

Keine Konkurrenten, Freunde

15.02.2021

Die Medaillenjagd im italienischen Cortina d’Ampezzo biegt in die zweite Halbzeit. Auf die Speed-Bewerbe folgt der Schlagabtausch in den Mannschaftsbewerben und technischen Disziplinen. Flachau-Sieger Manuel Feller (28) spricht vor seiner Cortina-Premiere über eine neue Situation, seine zweite Familie und erklärt, warum es die Aggressionen des Henrik Kristoffersen braucht.

ÖSV-Technikcoach Marco Pfeifer hat zuletzt in Interviews gemeint, dass du durch deinen Sohn Lio und generell durch die Familiensituation viel gefestigter und nicht mehr so impulsiv bist, siehst du das auch so?
„Natürlich hat sich vieles verändert, es ist eine komplett neue Situation, mit der ich auch erst lernen musste, umzugehen. Jeder der ein kleines Kind daheim hat weiß, dass man da nicht mehr so reagieren kann, wie man gerade drauf ist. Der Kleine läuft um die Ecke, wirft die Hände in die Höhe, alles ist lustig, fünf Minuten später hast du eine volle Windel in der Hand, da ist alles andere sofort vergessen. Selbst wenn du mit einem Grant nach Hause kommst und dich der Tag angezipft hat, du hast gar keine andere Möglichkeit als den ganzen Zirkus draußen zu lassen und auszublenden.“
Aktuell hat man das Gefühl, es herrschen bei euch innerhalb der Mannschaft fast norwegische Verhältnisse, sprich das Team ist der König, der Zusammenhalt enorm. Täuscht das?
Nein, das täuscht nicht. Wir sind schon ewig lange zusammen und eine absolut zusammengeschweißte Truppe. Manche von uns kennen sich von klein auf, so wie zum Beispiel der Michi (Anm.: Matt) und ich. Wir haben uns schon in der Skihandelsschule in Stams ein Zimmer geteilt, einen langen gemeinsamen Weg bestritten. Wenn man über so viele Jahre miteinander unterwegs ist, dann wird das automatisch deine zweite Familie. In Wahrheit verbringe ich ja mehr Zeit mit den Burschen als mit meiner richtigen Familie. Von dem her sind das für mich keine Konkurrenten, sondern Freude. Man darf sich da auch ruhig mit dem anderen mitfreuen. Weil der, der es besser gemacht hat kann ja nichts dafür, wenn ich an dem Tag nicht das gezeigt habe, was ich draufhabe.“

Lass uns über Cortina reden, kennst du die WM-Pisten, was erwartest du dir von der Weltmeisterschaft?
Ich kannte Cortina bisher nur von der Durchreise. Von dem her freue ich mich schon sehr, weil es ist immer cool ist, wenn man etwas Neues sieht und erlebt. Eine Weltmeisterschaft hat bekanntlich eigene Gesetze, eine Freikarte für eine Medaille gibt es sowieso nie.

Ich glaube, dass ich bei Großereignissen immer recht starke Leistungen gezeigt habe und werde natürlich auch jetzt Vollgas geben. Was dann dabei rauskommt wird man sehen.

Es gibt aktuell so viele gute Skifahrer, so viele unterschiedliche Siegertypen, aus Sicht des Zuschauers machen die Rennen aufgrund des enorm hohen Niveaus so viel Spaß wie schon lange nicht mehr.
Stimmt, vor allem im Slalom ist das massiv. Die ersten zwanzig, dreißig in der Starterliste können aufs Podium fahren, es gibt keine Seriensieger, sondern mischt ganz vorne und am Podest immer ordentlich durch. Es sind mittlerweile so viele Nationen die anschreiben können, das tut dem Sport extrem gut, auch wenn es für uns manchmal nicht so toll ist (lacht). Ich kann mir gut vorstellen, dass das für die Zuschauer sehr interessant und spannend zu verfolgen ist.
Braucht es Typen und eigene Charakter wie beispielsweise Henrik Kristoffersen, der seine Gefühle so gewaltig auslebt?
Definitiv, es gibt ohnehin immer weniger echte Typen im Skirennsport. Henrik ist so ein Typ, er versteckt sich hinter keiner Fassade, ist so, wie er ist. Das ist meiner Meinung nach wichtiger als immer nur ein gestriegelter Typ zu sein. Wenn Emotionen gezeigt werden, spricht dass die Leute glaube ich noch viel mehr an, auch wenn es bei Henrik zum Teil Aggressionen sind (lacht). Aber auch die gehören zum Sport dazu. Ich habe im ersten Moment auch schon oft genug in der Emotion Sachen gemacht oder gesagt, wo ich mich danach gefragt habe, ob ich noch ganz sauber bin. Aber wenn du in diesem Tunnel bist, dann bist du da drinnen, das gehört zum Sport einfach dazu.“