Deutschland stemmt den Pokal Deutschland stemmt den Pokal Deutschland stemmt den Pokal
Matthias Jaissle 

Deutschland stemmt den Pokal

14.06.2021

Vor sieben Jahren musste Matthias Jaissle die Fußballschuhe verletzungsbedingt an den Nagel hängen, heute ist der 33-jährige Baden-Württemberger Cheftrainer von Rekordmeister FC Red Bull Salzburg. Der ehemalige Innenverteidiger verrät seine unangenehmsten Gegenspieler, spricht über Ehrgeiz, Gelassenheit und Wertschätzung, den Kontakt zu Andreas Ibertsberger und seinen persönlichen Karriereplan.

Sie sind 2007 als Jugendspieler vom VfB Stuttgart zum damaligen Regionalligisten TSG 1899 Hoffenheim gewechselt, wo es gelang innerhalb von zwei Spielzeiten von der Drittklassigkeit heraus direkt in die erste Spielklasse aufzusteigen. Die Krönung war der Herbstmeistertitel im ersten Bundesligajahr. Wie waren die Eindrücke von ihrer ersten Profistation, was hat Hoffenheim beim damaligen Durchmarsch ausgezeichnet?
„Das war wirklich eine außergewöhnliche Zeit. Ich bin als junger Spieler von der U19 des VfB Stuttgart nach Hoffenheim gewechselt und stieg mit dem Club erst in die zweite und dann in die erste Liga auf. Dort sorgten wir in der Hinrunde für ziemlich Furore. Plötzlich kamen Reporter aus der ganzen Welt, um zu schauen, was da eigentlich passiert. Uns zeichneten mehrere Punkte aus: Wir hatten richtig talentierte Jungs wie Roberto Firmino, der eine Weltkarriere hingelegt hat, eine super Stimmung in der Kabine – und in Ralf Rangnick einen sehr fortschrittlichen Trainer, der immer den richtigen taktischen Plan hatte. Außerdem waren wir irgendwann so im Flow, dass unser Selbstvertrauen riesig war.“

Am damaligen Erfolgslauf Hoffenheims waren mit Andreas Ibertsberger und Ramazan Rambo Özcan auch zwei Österreicher beteiligt, haben Sie noch Kontakt?
„Zu Rambo leider nicht mehr, das war ein verrückter Hund, aber ein ganz toller Mensch, zu Andi schon. Er war als Spieler auf und außerhalb des Platzes ein absolutes Vorbild, ist jetzt ebenfalls in der Trainerschiene unterwegs. Ich durfte seine Neffen in der U-18 und teilweise beim FC Liefering trainieren. Von dem her haben wir hie und da noch Kontakt.“

Sie haben als Innenverteidiger trotz langwieriger Verletzungspausen 31 Bundesliga-Partien absolviert, wer ist ihnen als unangenehmster und gefährlichste Gegenspieler in Erinnerung geblieben?
„Ach da waren schon ein paar richtige Kaliber dabei, die mich voll gefordert und mir einiges abverlangt haben – Mario Gomez, Luca Toni oder Frank Ribery zum Beispiel. Auch in den eigenen Reihen hatten wir mit Vedad Ibišević einen sehr unangenehmen Spieler, gegen den hat man auch im Training nicht so gerne gespielt. Aber wir haben ihn sehr geschätzt, er war für die Mannschaft sehr wichtig, hat viele Tore für uns geschossen und ist einfach ein super Mensch.“

Wie charakterisiert der Trainer Matthias Jaissle den damaligen Spieler Matthias Jaissle?

„Als sehr diszipliniert und ehrgeizig, eventuell sogar einen Tick zu ehrgeizig. Technisch vielleicht nicht der Talentierteste, aber einer der aus seinen Möglichkeiten recht viel gemacht hat und dem es aufgrund der Verletzung verwehrt blieb, an seine Grenzen zu gehen.“

Ist der heutige Trainer genauso ehrgeizig wie der damalige Spieler?
„Das auf jeden Fall, ich versuche jetzt allerdings die Balance besser hinzubekommen. Bei allem Ehrgeiz und Eifer nach Erfolg, braucht es auch eine gewisse Gelassenheit. Ich glaube das ist ein ganz guter Mix.“

Nach Leipzig haben sie zwei Saisonen in Dänemark als Co-Trainer von Alexander Zorniger bei Brøndby IF gearbeitet, ehe 2019 der Lockruf aus der Mozartstadt kam. Haben sie damals lange überlegen müssen?
„Als ich damals das Konzept der Akademie gesehen habe, war für mich sofort klar, dass ich diese Chance ergreifen möchte. Meine Erfahrungen, die ich als Co-Trainer in den Jahren zuvor gesammelt habe nun als Hauptverantwortlicher im Nachwuchsbereich einzusetzen war zum damaligen Zeitpunkt meiner Karriere der richtige Schritt - und wie man heute sieht, auch der absolut richtige.“

Sie haben erst die U-18-Mannschaft in der Akademie von Red Bull Salzburg übernommen, sind Anfang des Jahres Bo Svensson beim FC Liefering gefolgt. Vier Monate später wurde offiziell verlautbart, dass sie Jesse Marsch beim FC Red Bull Salzburg beerben. Eine Entscheidung, die mancherorts als Überraschung interpretiert wurde. Was entgegnen sie kritischen Stimmen, die mutmaßen der Anzug könnte ihnen noch zu groß sein?
„Ich kann die Überraschung einiger schon ein Stück weit nachvollziehen, glaube aber, dass es in der Art und Weise wie der Verein denkt und sich aufstellt, der konsequente Weg ist, den man hier geht. Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar für die Chance, die ich hier bekomme, spüre eine riesige Wertschätzung, die ich nur zurückgeben kann. Wir arbeiten schon seit einiger Zeit fleißig und eifrig an der Vorbereitung, fiebern dem Auftakt entgegen.“
Ihre Vorgänger haben die Latte ziemlich hochgelegt. Red Bull Salzburg hat im vergangenen Jahrzehnt acht mal das Double abgeräumt, ist national praktisch zum Siegen verdammt. Eine gewisse Drucksituation liegt auf der Hand, wie gehen sie damit um?
„Dass der Druck eine Rolle spielt ist ein gängiges Bild und gehört zu unserer Arbeit dazu. Ich glaube, dass ich damit gut umgehen kann. Der meisten Druck geht ohnehin von mir aus, da ich sehr ehrgeizig bin (lacht).“

Gibt es Trainer, von denen Sie lernen und sich etwas abschauen können?
„Ich glaube, dass man von jeder Persönlichkeit, sei es ein Trainer im Sport, oder eine Führungskraft in der freien Wirtschaft, Dinge lernen kann und man sich in der Richtung auch nicht verschließen sollte. Ich versuche mich ständig weiterzuentwickeln, halte aber nichts davon andere zu kopieren, sondern versuche authentisch zu bleiben und authentisch aufzutreten.“

Haben sie einen persönlichen Karriereplan, wo sehen sie sich in fünf Jahren?

„Nein, einen langfristigen Plan oder langfristige Ziele gibt es nicht, dazu ist der Beruf zu schnelllebig. Für mich liegt der Fokus auf dieser Saison. Wenn wir die erfolgreich bestreiten, dann bin ich erfüllt und positiv gestimmt – genau so gehen wir das auch an.“

Am 21. Juni startet die Vorbereitung mit den obligatorischen Leistungstests, hinter der einen oder anderen Personale steht noch ein großes Fragezeichen. Werden Akteure vom FC Liefering hochgezogen, gibt es einen Wunschspieler?
Am Ende ist das immer eine Teamentscheidung, wir sind hier auch immer im internen Austausch. Es gibt sicherlich interessante Spieler beim FC Liefering, die ich begleiten durfte und die im letzten halben Jahr einen super Sprung gemacht haben. Von dem her glaube ich schon, dass man den einen oder anderen aus Liefering in der kommenden Saison beim FC Red Bull Salzburg sehen wird.

Lassen sie uns abschließend kurz über die Europameisterschaft reden. Österreich hat zum Auftakt gegen Nordmazedonien 3:1 gewonnen. Was trauen sie Franco Foda und dem ÖFB-Team noch zu?
Der Sieg zum Auftakt war enorm wichtig und wird dem Team weiter Selbstvertrauen geben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Mannschaft das Achtelfinale erreichen wird – und dann ist vieles möglich. Aber da spielen dann auch Dinge wie Tagesform und das nötige Quäntchen Glück eine Rolle. Ich drücke jedenfalls die Daumen.

Abschließend, wie lautet ihr Tipp für das EM-Finale, welche Mannschaft hat das beste Ende für sich?
„Schwer zu sagen. Als Deutscher drücke ich natürlich der DFB-Auswahl die Daumen, aber da gibt es sicherlich noch die eine oder andere Nation, die das Potential hat, beispielsweise Frankreich. Man könnte noch weitere aufzählen die unfassbare Qualität mitbringen, es wird auf jeden Fall sehr spannend. Wenn ich mich festlegen muss, sage ich, dass Deutschland den Pokal stemmen wird.“